Es ist eine kleine Sensation: Seit Jahren hat die deutsche
Videospielbranche praktisch keinen international erfolgreichen Titel
produziert – nun kommt mit "Crysis" das beste Ballerspiel der
Welt aus Frankfurt am Main. Technisch überragt es die Konkurrenz
um Längen. Ein Test.
Selten hat es um ein Computerspiel einen solchen Hype gegeben: Fast
eineinhalb Jahre lang wurden unter Spielern Screenshots und Videos
diskutiert, ob es sich beim Gezeigten um echte Spielszenen handelt oder um
Werbematerial. Bis vor wenigen Wochen die Demo veröffentlicht wurde,
erschien vielen fast unglaubwürdig, dass ein handelsüblicher moderner
Computer tatsächlich das leisten könnte, was die Aufnahmen versprachen: Eine
fotorealistische Grafikdarstellung, wie man sie in einem Computerspiel noch
nie zuvor gesehen hatte – eine bis ins kleinste Detail modellierte
Tropeninsel, mit sich im Wind wiegenden Palmen, Wasserfällen, malerischen
Sonnenuntergängen und einer Wasserdarstellung, die einen am liebsten sofort
die Koffer packen lassen möchte. Alles frei begehbar, ohne Ladepausen, wie
aus dem Reiseprospekt.
Seit wenigen Tagen nun ist klar: All dies
bietet „Crysis“, das wohl derzeit beste Ballerspiel ("Ego-Shooter")
der Welt aus deutscher Produktion von der Firma Crytek. Fachzeitschriften
loben das Spiel in den höchsten Tönen, in den Spielforen zeigen sich die
Spieler tief beeindruckt – was selten ist bei einer Klientel, die
automatisch mit jedem neuen Spiel nach nochmals verbesserter
Grafikdarstellung und interessanten Geschichten verlangt und sich ebenfalls
sehr schnell enttäuscht zeigt. Auch international überzeugt „Crysis“ – von
Spielportalen im Internet wie „Gamespot“ oder IGN hat Crysis ebenfalls sehr
hohe Wertungen erhalten. Das ist auch ein Lob an deutsche
Innovationsfreudigkeit: Die so genannte „Far Cry-2-Engine“, die es
ermöglicht, durch dichte, extrem realistisch wirkende Dschungel zu laufen
und „virtuelles Verstecken“ zu spielen, gehört grafisch zum Besten was die
Branche weltweit zu bieten hat. "Far Cry" lautete übrigens der
inoffizielle Vorjänger von "Crysis" – es hatte dem Studio
Crytek vor drei Jahren den ersten großen Erfolg gebracht.
Dabei gehören die beiden Spiele zu einem Genre, das in Deutschland heftig in
der Kritik steht: Schon kurz nach der Veröffentlichung am vergangenen
Donnerstag wurden erste Stimmen laut, die den Verkauf verbieten lassen
wollten. „Crysis“ sei ein so genanntes „Killerspiel“. Wahr ist: Wenn man
„Crysis“ durchgespielt hat, dürfte man mehr als hundert gegnerische Soldaten
getötet haben. Maschinenpistole, Pumpgun und Granaten gehören zum
Waffenarsenal. Der Spieler soll als Mitglied einer Spezialeinheit im Kampf
gegen eine Besatzungsmacht vermisste Archäologen befreien – und stößt dabei
auf ein außerirdisches Artefakt.
Minderjährige dürfen nicht zocken
„Crysis“ ist ein gewalttätiges Spiel, verkauft werden darf es deshalb auch
erst an 18-Jährige. Gewaltverherrlichend ist es hingegen nicht: Getötete
Soldaten verschwinden nach kurzer Zeit, Blut lässt sich in den Optionen
abschalten und selbst zugeschaltet wird es nur sparsam eingesetzt. In erster
Linie geht es nicht darum, Gegner zu töten, sondern selbst zu überleben –
ein feiner, aber entscheidender Unterschied, der dem Spieler in
Zwischensequenzen auch immer wieder verdeutlicht wird.
„Crysis“ setzt vielmehr auf eine packende Handlung – und das ist es, was den
Ego-Shooter dann auch deutlich von vielen anderen unterscheidet. Dem Spiel
gelingt es über zwölf Stunden Spielzeit einen Spannungsbogen aufzubauen. Mit
jedem der elf Level steigert sich die Dramatik des Geschehens. Die Spannung
entsteht auch dadurch, dass dem Spieler immer selbst die Entscheidung
überlassen bleibt, was als nächstes zu tun ist. So steht in dem Auftrag an
das Spezialistenteam zu Beginn, Feindkontakt wenn möglich zu vermeiden – wer
will, kann deshalb versuchen, das gesamte Spiel durch Schleichen im dichten
Dschungel zu bewältigen und nur dann zur Waffe zu greifen, wenn es unbedingt
nötig ist. Genial ist das Interface, das mit wenigen Mausklicks ermöglicht,
auf die Fähigkeiten des „Nanosuit“, den Kampfanzug des Spielers,
zuzugreifen. So kann sich der Spieler für eine begrenzte Zeit unsichtbar
machen, seine Kraft verdoppeln oder doppelt so schnell laufen. Taktik und
Strategie sind neben Kämpfen zwei weitere Kernelemente.
Diese sind auch wegen der guten künstlichen Intelligenz der Gegner nötig: Je
nach Situation gehen sie mal zum Großangriff über, dann schwärmen sie wieder
aus, um den Spieler einzukreisen. In Sekundenschnelle wird der Spieler vom
Jäger zum Gejagten und umgekehrt. Ein Wechselspiel, das vor den Monitor
fesselt und den Adrenalinspiegel nach oben treibt.
Spielehersteller schreiben gern über die
Atmosphäre in ihren Computerspielen. Meist ist das eine Marketingfloskel.
„Crysis“ sorgt jedoch dafür, dass der Spieler immer wieder mit offenem Mund
auf den Bildschirm schaut . Immer wieder entsteht der Eindruck, man spielt
kein Computerspiel, sondern ist in einen „interaktiven Kinofilm“
hineingeraten, in dem der Spieler die Hauptrolle übernommen hat. Ähnlich gut
bekommt das derzeit nur die Konkurrenz "Call of Duty 4" hin, die
grafisch allerdings etwas weniger eindrucksvoll ist.
Wenn das "Crysis"-Spektakel nach zwölf Stunden Spielzeit vorbei
ist, will man am liebsten noch einmal von vorn beginnen. Da ist es nur gut,
dass Crytek bereits kurz nach Erscheinen bekannt gegeben hat, dass „Crysis“
der Auftakt zu einer Trilogie ist.
Eine Komplettlösung zu "Crysis" finden Sie hier.