Jahrelang hat Electronic Arts die Videospielbranche dominiert. Doch nun
gibt es eine neue Nummer eins: Der französische Konzern Vivendi
("World of Warcraft") fusioniert seine Spieletochter mit dem
US-Unternehmen Activision ("Call of Duty"). Das wird die Branche
grundlegend verändern.
Die Videospielbranche steht vor einer grundlegenden Umwälzung. Der
französische Unterhaltungs- und Telekommunikationskonzern Vivendi hat am
Sonntagabend den Zusammenschluss seiner Spiele-Tochter mit dem
US-Konkurrenten Activision beschlossen. Zusammen formen beide den
weltgrößten Computerspiel-Hersteller. Analysten gehen davon aus, dass nun
auch die Konkurrenten nach Größe streben.
Die Videospielbranche ist das derzeit
wachstumsstärkste Segment innerhalb der Medienbranche. Nach Ansicht von
Experten dürfte ihr Umsatz in diesem Jahr um 18,5 Prozent auf 25,6 Mrd. Euro
zulegen und damit die Musikindustrie übertrumpfen, die voraussichtlich auf
24,3 Mrd. Euro kommt.
Durch die Fusion der Vivendi-Spielsparte mit
seinem US-Konkurrenten im Gesamtwert von 18,9 Mrd. Dollar (12,8 Mrd. Euro)
wird die jahrelange Nummer eins der Branche, Electronic Arts aus den USA,
abgelöst. Der französische Konzern wird zunächst einen 52-prozentigen Anteil
an der neuen Firma namens Activision Blizzard übernehmen und dafür im
Gegenzug seine Spielesparte im Wert von 8,2 Mrd. Dollar sowie 1,7 Mrd.
Dollar in bar einbringen. Später will Vivendi die Beteiligung dann auf 68
Prozent erhöhen. Das fusionierte Unternehmen rechnet 2007 mit einem Umsatz
von 3,8 Mrd. Dollar.
Die Vivendi-Spielesparte, die noch vor wenigen Jahren als das Sorgenkind des
Konzerns galt, ist dank des von seiner Tochter Blizzard entwickelten
Rollenspiels „World of Warcraft“ führend bei Online-Spielen. Durch
Activision bekommt Vivendi nun Zugang zu einigen der weltweit
erfolgreichsten Spielen für Videokonsolen, also Playstation, Xbox oder Wii.
Aus dem 1979 gegründeten kalifornischen Unternehmen stammen die Serie
„Guitar Hero“ und die beliebte, mittlerweile neunteilige Skateboard-Reihe
„Tony Hawk“. Activision ist momentan der zweitgrößte Hersteller von
Videospielen weltweit und erzielte zuletzt einen Jahresumsatz von
umgerechnet einer Mrd. Euro.
Neben den erfolgreichen Spielemarken verschaffen sich die Franzosen durch
den Einstieg bei dem US-Unternehmen auch Zugang zu deren Werbekunden. Denn
mittlerweile kommt ein wesentlicher Teil von Activisions Einnahmen von
Werbeanzeigen, die in den Spielen platziert werden: Werbeplakate, an denen
die Spieler mit ihren virtuellen Gefährten in einem Autorennspiel
vorbeifahren, oder Filialen von Fast Food-Ketten, die am Straßenrand stehen.
Zudem sind oft auch die Produkte der zahlenden Unternehmen geschickt ins
Spiel eingebettet: Im neuen Teil der „Tony Hawk“-Serie etwa muss der Spieler
durch eine Jeep-Fabrik fahren, um ins nächste Level zu gelangen. Solche
Werbung in Videospielen ist mittlerweile der verlässlichste Weg, um die
Zielgruppe Jugendlicher zu erreichen, sagt Jeff Herrmann, Forscher bei der
Marktforschungsfirma Nielsen Games. „Es gibt kein anderes Medium, vor dem
junge Leute so viel Zeit verbringen.“ Branchenbeobachter rechnen damit, dass
Vivendi die Werbekunden-Kartei Activisions auch für „World of Warcraft“
nutzen wird. Für das erfolgreiche Onlinespiel haben sich 9,3 Mio. zahlende
Nutzer angemeldet.
Die Bekanntgabe der Mega-Fusion löste Montag Spekulationen über eine weitere
Konsolidierung der Spiele-Branche aus. Die Aktien der beiden französischen
Konkurrenten Ubisoft Entertainment und Infogrames Entertainment legten
deshalb um zeitweise mehr als fünf beziehungsweise sieben Prozent zu.
Nach Ansicht der Analysten von Oddo erscheint
ein Verkauf von Ubisoft an Electronic Arts wahrscheinlich. Electronic Arts,
der durch die Fusion erheblich unter Druck gerät, war vor drei Jahren bei
Ubisoft eingestiegen. Inzwischen hält der US-Konzern 15 Prozent des Kapitals
sowie knapp 25 Prozent der Stimmrechte. Doch ist es ihm nicht gelungen, die
Kontrolle bei Ubisoft zu übernehmen, da die Gründerfamilie Guillemot dies
bisher stets ablehnte. Sie könnte ihre Ablehnung jedoch nun angesichts der
hohen Bewertung der Spiele-Branche aufgeben und ihre Anteile verkaufen.